Bremen. Im vergangenen Jahr lief er in der Sahara, vor drei Monaten auf dem gefrorenen Baikalsee und jetzt beim Mitternachts-Marathon in Tromsö. Der Bremer Wilfried Seehafer kommt bei seinen Marathon-Läufen um die ganze Welt. Dabei scheut er weder Hitze noch Kälte, Sand noch Eis. Zum nördlichsten Lauf der Welt, rund 300 Kilometer nördlich vom Polarkreis, ist der Jurist mit dem Motorrad gefahren. Insgesamt legte er 6472 Kilometer auf zwei Rädern zurück. Eine Fahrt durch Einsamkeit, tiefe Wälder, vorbei an Fjorden und einsamen Dörfern. Dabei durchquerte er Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen.
Die Mitternachtssonne erlebte Wilfried Seehafer zum ersten Mal hinter Trondheim in Norwegen. "Ich bin vor Begeisterung die ganze Nacht durchgefahren", erzählt er. "Es ist wie eine Stunde vor Sonnenuntergang." Die ganze Nacht bleibe es hell. Da er gut in der Zeit lag - der Marathon war auf den 20. Juni festgelegt - legte er einen Abstecher ans Nordkap ein. Weitere 600 Kilometer auf seiner BMW 1200. "Wenn du schon so hoch bist, dann fährst du noch zum Nordkap", habe er sich gesagt.
Eisiger Nordwind, ein Grad Kälte und Schnee neben der Straße empfingen ihn am Nordkap, doch auch wieder die Mitternachtssonne. "Dort wohnen noch viele Menschen", berichtet Seehafer. "Das hätte ich nicht gedacht." Ein "Hotel am Ende der Welt" habe er gefunden.
Doch dann ging es wieder zurück nach Tromsö, wo parallel zum Marathon das Mittsommernachtsfest gefeiert wurde. Ein großes Volksfest, zu dem Tausende von Menschen aus der ganzen Region in die rund 60 000 Einwohner große Stadt kommen. Die Universitätsstadt Tromsö ist die größte Stadt Nordskandinaviens und das Tor zum Eismeer. Ein Hotel vorab übers Internet zu buchen, sei völlig unmöglich gewesen, erzählt Seehafer. Zur Sicherheit hatte er noch ein Zelt dabei. Doch er hatte Glück und fand ein Hotel. Ein Höhepunkt des Festes sei ein Wettrudern auf dem Fjord gewesen. Mit Gruppen, die sich als Wikinger, nordische Hexen, Mafiosi oder Schlosser verkleidet hatten.
Nach einem Tag Ruhe nach der langen Fahrt ging es los. Bei Kälte, Regen und Nordwind machten sich die Marathon-Läufer am Abend des 20. Juni auf den anstrengenden Weg über 42 Kilometer. Ungefähr 500 Teilnehmer aus 30 Nationen waren dabei. Darüber hinaus noch weitere Läufer, die am Kinderlauf, Zehn-Kilometer-Lauf oder dem Halbmarathon teilnahmen. Sehr hügelig führte die Strecke an einem Fjord entlang. "Es war landschaftlich traumhaft schön", erinnert sich Wilfried Seehafer. "Aber das Hügellaufen ist sehr anstrengend. Das ist man hier nicht so gewohnt." Besonders eine 55 Meter hohe, lange Brücke war eine Herausforderung auf der Route.
Doch der 54-jährige Bremer hat schon so manche Herausforderung gemeistert und so auch diese. In vier Stunden, 55 Minuten bewältigte er den Mitternachts-Marathon. Die schnellsten Läufer schafften diesen Lauf in etwas mehr als zwei Stunden. Wilfried Seehafer geht das Marathon-Laufen dagegen mit Ruhe an. "Ich laufe nur aus Spaß. Zur Entspannung und Regenerierung."
Der Rückweg führte durch Finnland und Schweden. Überall traf Seehafer auf Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft. Außerdem komme man als Motorradfahrer schneller ins Gespräch mit den Leuten, erzählt er. Deutsche, die ausgewandert sind, hat er unterwegs ebenfalls getroffen. Einen Autoschlosser aus Rendsburg, der vorher von Hartz IV gelebt hat. In Norwegen hat er wieder Arbeit gefunden. Drei Mal wurde er bestohlen, und auf die Geschwindigkeitsbegrenzung musste er sehr achten. "Ich habe noch nie so viele Blitzer gesehen wie in Norwegen und Finnland." |